Chemische Experimente (23.02.2000)

 

Ich bin Druckform/ -vorlagenherstellerin und arbeite in einer Zeitungsdruckerei. Wer die Firma kennt, der weiß, daß ich mit dem Wort "Saftladen" eigentlich noch untertreibe...:-) Aber egal...
Es geht hoch her, denn das allgemein gebildete Volk möchte ja täglich mit Informationen und Klatsch versorgt sein. So auch an diesem Tag! Da extra viele Aufträge anstanden tummelten sich neben mir noch drei Aushilfen und eilten sich die anstehende Arbeitsflut zu bewältigen.
Wenn "Nicht-Fachleute" einen mit Fragen löchern kann einem schon mal die Konzentration abhanden kommen... so geschah es mir auch an diesem Tag... Selbstverständlich werden an sämtlichen Maschinen die bei uns in der Abteilung Ihr Gnadenbrot bekommen die Wartungsintervalle peinlichst genau eingehalten... (Anm. was Sarkasmus ist brauche ich hier nicht extra erklären oder??)
So wunderte ich mich nicht, als aus der Plattenentwicklungsmaschine ein penetranter Geruch nach Faulenden Gasen sich bemerkbar machte (Kategorie "faule Eier") Auch ließ der bei uns hoch angesetzte Qualitätsanspruch der entwickelten Druckbleche mit fortschreitender Stunde stark zu wünschen übrig. Der grindige Belag der den Blechen anhaftete hatte die Konsistenz eines ausgedrückten Teenagerpickels. Ich beschwerte mich lautstark bei meinem Vorgesetzten, warum wieder keine Sau Maschinenpflege betrieben hätte. In der Hauptproduktion wäre für solcherart Niff-Naff ja wohl keine Zeit.
Ein Fachkundiger Blick auf die Entwickler- und Fixiererbrühe, welche schon deutliche Zerfallserscheinungen zeigte, erkennbar am pelzigen Schimmelbelag der lustlos auf der Oberfläche dümpelte, bestärkte unseren Verdacht, daß die Plöre nicht Beizeiten gewechselt worden ist.
Also wurde munter weiter produziert und so ein nerviger Arbeitstag nimmt ja auch irgendwann mal ein Ende, oder?
Der Nachtschicht die gegen 22.00 Uhr anrückte und der die Begeisterung sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben stand gab ich die Anweisung mal "die Brühe abzulassen" wenn im Laufe der nächsten 2 Stunden Zeit dafür ist. Zuerst mußte aber ein brandeiliger Auftrach noch durchgenudelt werden. Erleichtert verließ ich die Stätte des penetranten Geruchs...
Des Rätsels Lösung ereilte mich allerdings am darauffolgenden Tag gegen 14.30 Uhr.
Nachdem mir im Stau, der mir eine halbe Stunde Verspätung einbrachte, schon sämtliche gute Laune verging, wurde ich erst mal mit den unheilsschwangeren Worten aus dem Munde des Schichtleiters: "Sag mal...was hast Du Dir denn gestern gelappt..." begrüßt. Das süffisante Lächeln auf dem Gesicht einer Kollegin die wohl extra auf Ihren pünktlichen Dienstschluß verzichtet hatte um dem Anschiß beizuwohnen war mir jedenfalls nicht geheuer.
Fakt: Jemand (also wohl ich) hatte die Nachfülltanks vertauscht. Das heißt.. die Bleche wurden erst fixiert und dann entwickelt. Das Ergebnis war mit fortschreitender Plattenausgabe eine immer beschissenere Qualität... daher auch der ekelerregende Mief nach Verwesung ... und ein fröhlicher Arbeitsauftakt für die Nachtschicht-Gang, die in Windeseile, nachdem der Faux-pas endlich durch Zufall bemerkt wurde, das misslungene "Chemische Experiment" auf den Weg alles Vergänglichen geschickt haben...

Manuela

(Kom.: Jaja. Druck in der Druckerei bedrückt die Druckerin. :))